Exoskelette in der Medizintechnik – Vom Zukunftsbild zur Realität
„Roboter am Körper“ – was vor wenigen Jahren noch nach Science-Fiction klang, ist heute in vielen Reha- und Orthopädieeinrichtungen gelebte Praxis. Medizinische Exoskelette unterstützen Menschen beim Gehen, Stehen oder Heben, die diese Bewegungen aus eigener Kraft nur eingeschränkt oder gar nicht mehr ausführen können. Sie sind Hightech-Systeme, die Mechanik, Sensorik, Software und Ergonomie auf engstem Raum verbinden – und dabei höchsten regulatorischen Anforderungen gerecht werden müssen. Der rasante Fortschritt in der Medizintechnik zeigt sich besonders am Beispiel von Exoskeletten, die als innovative Technologie neue Möglichkeiten für die Unterstützung verschiedener Körperregionen bieten.
Die Einsatzgebiete reichen von der neurologischen Rehabilitation (z. B. nach Schlaganfall oder Querschnittlähmung) bis hin zur Prävention körperlicher Belastung im Pflegebereich, insbesondere in Krankenhäusern als wichtigen Arbeitsplätzen für den Einsatz von Exoskeletten. Die Branche und Industrie spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Anwendung dieser Systeme, die in verschiedenen Bereichen wie Logistik, Medizin und Pflege zur Entlastung von Patienten und Pflegepersonal beitragen. Exoskelette ermöglichen eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität, indem sie die Mobilität erhöhen und die Belastung durch schwere Lasten oder wiederkehrende Tätigkeiten reduzieren.
Doch wie entstehen solche Systeme eigentlich? Welche Technologien kommen zum Einsatz? Und welche regulatorischen Hürden gilt es zu meistern?
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Baugruppen, Funktionen und das Innenleben eines Exoskeletts
Ein medizinisches Exoskelett besteht nicht nur aus leichten Tragstrukturen und Motoren – es ist ein fein orchestriertes Zusammenspiel aus Sensorik, Aktorik, Software und Biomechanik. Nur wenn alle Systeme exakt aufeinander abgestimmt sind, kann das Exoskelett therapeutisch wirksam und sicher betrieben werden.
Zentrale Komponenten:
Aktoren & Antriebseinheiten
In medizinischen Exoskeletten übernehmen elektrische oder hydraulische Motoren die Muskelarbeit. Dabei müssen sie ruckfrei und präzise arbeiten – etwa beim kontrollierten Anheben eines Beins oder dem Ausgleich von Haltungsschwankungen.
Sensorik & Regelungstechnik
Beschleunigungssensoren, Kraftsensoren in Gelenken und in manchen Fällen sogar EMG-Elektroden (zur Muskelaktivitätsmessung) liefern die Basisdaten. Diese werden in Echtzeit von der Regelsoftware verarbeitet und in Bewegungen übersetzt – bei gleichzeitigem Schutz vor Überbelastung. Für die Entwicklung und Kalibrierung dieser Systeme sind umfassende Kompetenz und fundiertes Wissen im Bereich Sensorik und Regelungstechnik unerlässlich.
Human-Machine-Interface (HMI)
Die Bedienung erfolgt über intuitive Touchdisplays, Smartwatches oder in manchen Fällen sogar Sprachsteuerung. Besonders in der Rehatechnik ist eine einfache Bedienbarkeit essenziell – sowohl für Therapeuten als auch für Patienten.
Ergonomie & Passform
Körperkontaktflächen, Gurtsysteme und verstellbare Module müssen so gestaltet sein, dass sie bequem sitzen – auch bei stundenlanger Nutzung. Materialwahl und Polsterung sind hier entscheidend für Akzeptanz und Compliance.
Diese Baugruppen müssen im Montageprozess absolut präzise gefertigt und zusammengefügt werden – oft unter Reinraumbedingungen und dokumentiert nach den Vorgaben der ISO 13485.
Werkstoffe & Fertigungstechnologien – Präzision trifft Leichtbau
Die Wahl der richtigen Materialien entscheidet bei Exoskeletten nicht nur über Gewicht und Komfort, sondern auch über Biokompatibilität, Langlebigkeit und Montagefähigkeit. In der Medizintechnik gelten hier besonders hohe Anforderungen, die weit über herkömmliche Industrieprodukte hinausgehen.
Werkstoffe im Einsatz von Exoskeletten:
- Leichtmetalle wie Aluminium und Titan
Sie sind stabil, korrosionsbeständig und gut bearbeitbar. Titan punktet zudem mit hoher Biokompatibilität – ein wichtiger Aspekt bei langem Hautkontakt oder implantierbaren Modulen. - Faserverstärkte Kunststoffe (z. B. CFK)
Sie ermöglichen extrem leichte und zugleich belastbare Strukturen – besonders dort, wo es auf hohe Beweglichkeit bei minimalem Gewicht ankommt. - Hochleistungskunststoffe (z. B. PEEK, PA12)
Diese finden sich häufig im 3D-Druck – ideal für komplexe, patientenspezifische Bauteile oder Prototyping unter realen Bedingungen.
Fertigungstechnologien:
- CNC-Fräsen und Laserschneiden
Für tragende Elemente mit hohen Toleranzanforderungen ist klassische Zerspanung nach wie vor Standard. Die Maßhaltigkeit muss hier teils im Bereich von ± 0,02 mm liegen. - Additive Fertigung (3D-Druck)
Gerade in der Entwicklung oder für individualisierte Bauteile setzen Hersteller auf SLS- oder MJF-Verfahren – zunehmend auch für funktionsfähige Serienteile mit medizinischer Zulassung. - Oberflächenveredelung & Beschichtung
Anodisieren, Pulverbeschichtung oder antibakterielle Lacke verbessern die Widerstandsfähigkeit und ermöglichen gleichzeitig eine patientenfreundliche Haptik.
Alle Fertigungsschritte müssen gemäß ISO 13485 dokumentiert, rückverfolgbar und validierbar sein – und häufig auch unter kontrollierten Umgebungsbedingungen erfolgen.
Regulatorische Anforderungen – Zwischen Innovation und Zulassung
So faszinierend Exoskelette aus technischer Sicht sind: Ihr Einsatz im medizinischen Umfeld unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. In Europa gelten insbesondere die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und spezifische Normen wie die ISO 13485 für das Qualitätsmanagement und die ISO 14971 für das Risikomanagement.
Die wichtigsten Anforderungen im Überblick:
- MDR-Konformität und Risikoklassifizierung
Medizinische Exoskelette fallen in der Regel unter Risikoklasse IIa oder IIb – abhängig davon, ob sie nur unterstützen oder auch aktiv Bewegungsfunktionen übernehmen. Eine fundierte technische Dokumentation, klinische Bewertung und ein Konformitätsbewertungsverfahren durch eine Benannte Stelle sind in diesen Fällen verpflichtend. - ISO 13485 – Das Qualitätsmanagementsystem
Diese Norm schreibt strenge Anforderungen an dokumentierte Prozesse, Rückverfolgbarkeit und Produktrealisierung vor. Insbesondere bei der Montage, Prüfung und Validierung jedes einzelnen Exoskeletts muss jeder Schritt nachvollziehbar und standardisiert erfolgen. - ISO 14971 – Risikomanagement in der Medizintechnik
Vom ersten Prototypen bis zum Serienmodell müssen potenzielle Gefahren erkannt, bewertet und dokumentiert werden. Hierzu zählen mechanische Überlastung, Software-Fehler, Stromschlagrisiken oder Bedienfehler – inklusive Maßnahmen zur Risikominimierung.
Ein Verstoß gegen regulatorische Anforderungen kann nicht nur zur Rücknahme vom Markt führen, sondern auch haftungsrechtliche Konsequenzen haben. Daher arbeiten fortschrittliche Hersteller oft mit spezialisierten Partnern wie Schlander & Blum zusammen, um Entwicklung und Produktion normkonform umzusetzen – inklusive Rework und Qualitätskontrolle.
Testverfahren und Validierung – Sicherheit ist kein Kompromiss
Bevor ein medizinisches Exoskelett auf den Markt gelangt, muss es zeigen, dass es nicht nur funktioniert, sondern unter allen realistischen Bedingungen sicher ist. Die Testverfahren müssen dabei nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Wirksamkeit der Exoskelette nachweisen. Die Validierung beginnt dabei nicht erst am fertigen Produkt, sondern bereits in der Entwicklung – und begleitet den gesamten Lebenszyklus.
Die aus den Testverfahren und der praktischen Anwendung gewonnenen Erfahrungen fließen kontinuierlich in die Weiterentwicklung der Produkte ein.
Typische Prüfverfahren im Überblick:
Mechanische Dauerprüfung
Gelenke, Schraubverbindungen und Lager werden über Hunderttausende Zyklen belastet – um zu simulieren, wie sich das System nach Monaten oder Jahren im Einsatz verhält. Hierfür kommen spezielle Prüfstände zum Einsatz, die Kräfte, Drehmomente und Wiederholungen exakt steuern.
EMV-Prüfung (Elektromagnetische Verträglichkeit)
Exoskelette müssen in Klinik-Umgebungen störungsfrei funktionieren, auch im Zusammenspiel mit anderen medizinischen Geräten. Die Einhaltung der IEC 60601-1-2 ist dabei unerlässlich.
Software-Validierung nach IEC 62304
Da Exoskelette häufig sensorgesteuert arbeiten, spielt die Software eine zentrale Rolle. Sie muss robust gegenüber Fehlern sein und darf keine sicherheitskritischen Ausfälle produzieren – ein Punkt, der bei der Zulassung genau geprüft wird.
Usability-Tests (nach ISO 62366)
Gerade im klinischen Alltag muss das Exoskelett intuitiv und fehlerfrei bedienbar sein – sowohl für Patienten als auch für medizinisches Fachpersonal. Tests mit realen Nutzergruppen sind hier Standard.
Klinische Bewertung und Dokumentation
Für eine CE-Kennzeichnung ist eine klinische Bewertung zwingend notwendig. Diese kann entweder auf bestehenden Daten basieren oder über eigene Studien geführt werden – besonders bei neuartigen Funktionen oder Zielgruppen.
All diese Validierungsschritte müssen nicht nur durchgeführt, sondern auch vollständig dokumentiert werden – mit klaren Rückverfolgungspfaden zu Komponenten, Prüfparametern und Verantwortlichen. Das ist einer der Gründe, warum viele Hersteller auf spezialisierte Engineering-Dienstleister setzen, die nicht nur mit der Technik, sondern auch mit regulatorischer Dokumentation vertraut sind.
Qualität, Präzision und Partnerschaft als Schlüssel zum Erfolg
Medizinische Exoskelette zählen zu den komplexesten Produkten im Umfeld der Medizintechnik: Sie vereinen Hochleistungsmechanik, intelligente Sensorik, adaptive Software – und das alles unter strengsten regulatorischen Anforderungen. Die Herstellung erfordert technisches Know-how, tiefes Verständnis für Prozesssicherheit, Risikomanagement und normkonforme Qualität.
Was bedeutet das für Hersteller?
Nur wer vom ersten Entwurf bis zur Endmontage alle Schritte konsequent durchdenkt, dokumentiert und validiert, kann langfristig am Markt bestehen. Gleichzeitig steigen die Erwartungen von Kliniken, Reha-Zentren und Patient:innen an Funktion, Sicherheit und Individualisierung.
Genau hier setzen wir an:
Als erfahrener Dienstleister für Rework, Montage, Qualitätssicherung und Entwicklung unterstützen wir Medizintechnikunternehmen bei der Umsetzung innovativer Produkte – effizient, zertifiziert und mit einem klaren Blick für Details. Ob bei der Optimierung von Baugruppen, der Reinraum-Montage oder der normkonformen Dokumentation – wir sorgen dafür, dass Ihre Exoskelette nicht nur innovativ, sondern auch marktfähig sind.
Kontakt aufnehmen.
Können Sie machen.
Diese Blogartikel könnten Sie ebenfalls interessieren.
Informieren Sie sich im Blog von Schlander und Blum.
Was ist das VDA-Label?
Dieser Blogartikel bietet einen tiefen Einblick in die Bedeutung und Funktionsweise des VDA-Labels und erklärt, warum es für jedes Unternehmen in der Automobilzuliefererkette von unschätzbarem Wert ist. Entdecken Sie, wie Sie durch die Implementierung dieses Standards Verwaltungsaufwand und Kosten reduzieren und Ihre Markteinführungszeiten verkürzen können. Lesen Sie jetzt weiter, um zu erfahren, wie das VDA-Label Ihr Unternehmen revolutionieren kann!